Immaterielles Kulturerbe in Sachsen-Anhalt
Unter dem Begriff „Immaterielles Kulturerbe“ werden lebendige kulturelle Ausdrucksformen verstanden. Diese prägen die lokale, regionale oder überregionale Identität und stärken den Zusammenhalt in einer Gemeinschaft, oftmals generationsübergreifend. Mit diesen Ausdrucksformen sind traditionelles Wissen, wie auch dazugehörige Instrumente, Objekte und Artefakte sowie von Generation zu Generation weitergegebene Fertigkeiten verbunden, die heute noch lebendig sind.
Mit dem Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes hat sich die Bundesrepublik Deutschland 2013 verpflichtet, das Immaterielle Kulturerbe zu erhalten, zu stärken und zu würdigen. Das bundesweite Verzeichnis listet beispielhaft die vielfältigen Ausdrucksformen auf und verleiht ihnen damit besondere Wertschätzung. Das Verzeichnis wird dabei von der Deutschen UNESCO-Kommission erstellt und in Zusammenarbeit mit verschiedenen staatlichen Akteuren gepflegt und fortgeführt. Das Verzeichnis zeigt exemplarisch, welche lebendigen kulturellen Traditionen und Ausdrucksformen in Deutschland praktiziert und weitergeben werden. Neben länderübergreifenden Kulturformen, wie der Deutschen Theater- und Orchesterlandschaft oder dem Hebammenwesen, sind auch regionalspezifische Traditionen, wie das Bad Dürrenberger Brunnenfest, auf der Liste eingetragen. Einige dieser deutschlandweit anerkannten Formen des Immateriellen Kulturerbes kommen aus Sachsen-Anhalt oder werden hier in besonderer Weise gepflegt, so etwa die der Spergauer Lichtmeß, das niederdeutsche Theater, die Flößerei oder die Schachtradition in Ströbeck.
Beiträge aus Sachsen-Anhalt
Neben dem Bundesweiten Verzeichnis der Deutschen UNESCO Kommission führt das Land Sachsen-Anhalt ein Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes. (Erl. der StK vom 30.1.2024). Im Jahr 2024 wurden drei neue Kulturformen in das Landesverzeichnis eingetragen. Sieben weitere Kulturformen und Beispiele Guter Praxis aus Sachsen-Anhalt wurden bereits in das Bundesverzeichnis aufgenommen (Stand April 2024):
Im Landesverzeichnis als Immaterielles Kulturerbe erfasst
Gebrauchshundewesen
Vom Hundesport im Verein bis zur Ausbildung von Rettungshunden beinhaltet die Kulturform den Einsatz von Hunden in vielfältigen Tätigkeitsfeldern. Das Gebrauchshundewesen ist im Privaten wie Professionellen identitätsstiftend und steht für eine besondere Mensch-Tier-Beziehung. Mehr erfahren
Fertigungstechnik des Prägebrikett
Die Herstellung spezieller Briketts, die sich von den üblichen Handels- und Verbrauchsformen unterscheiden ist kennzeichnend für deutsche Bergbaureviere und hat in Sachsen-Anhalt besondere Tradition. Auch über das Ende der Braunkohleförderung hinaus gilt es diese Handwerkstechnik und ihre gesellschaftliche Bedeutung zu pflegen.
Philanthropisches Leben und Lernen
Vor rund 250 Jahren gründeten Fürst Franz von Anhalt-Dessau und Johann Bernhard Basedow das Philanthropinum. Als eines der bedeutenden Erziehungsinstitute der Aufklärung nimmt die „Schule der Menschenfreundschaft“ bis heute eine herausragende Stellung in der europäischen Bildungsgeschichte ein. Mehr erfahren
Im Landes- und im Bundesverzeichnis als Immaterielles Kulturerbe erfasst
Salzwirker-Brüderschaft Halle
Diese Brüderschaft gibt es nur in Halle und existiert seit 1491, wobei die Mitglieder „Halloren“ genannt werden. Als Erwerbsquelle diente damals das Salzsieden. Der Vorgang kann auch heute noch in Vorführungen bestaunt werden. Im Bundesverzeichnis seit 2014: Mehr erfahren
Finkenmanöver im Harz
Hier messen sich Finker und ihre Buchfinken, um in der Schönheitsklasse und Kampfklasse zu glänzen. Vor allem die Schulung für das Schönheitssingen ist besonders aufwendig. Ein Buchfink kann zwei bis drei Gesänge erlernen. Im Bundesverzeichnis seit 2014: Mehr erfahren
Schachtradition Ströbeck
Seit 1960 organisieren die Ströbecker das Mai-Turnier, welches jedes Jahr rund 200 Spieler anlockt. 2007 belebte man eine alte Tradition wieder, bei der der Bräutigam gegen den Bürgermeister Schach spielen und möglichst gewinnen sollte. Im Bundesverzeichnis seit 2016: Mehr erfahren
Pfingsttanz im Mansfelder Land
Bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts ist der Pfingsttanz bekannt. Dabei wird der Winter vertrieben und der Frühling als „fruchtbringende Zeit“ herbeigesehnt. Neben dem Pfingsttanz gibt es auch noch die traditionelle „Waldpartie“. Im Bundesverzeichnis seit 2018: Mehr erfahren
Spergauer Lichtmeß
Die Lichtmeß, oder Winteraustreibung, findet am ersten Sonntag im Jahr statt und ist ein Junggesellenbrauch mit rund 60 Teilnehmern. Traditionell wird ein Feuer gezündet und das verbrannt, was im Neuen Jahr nicht mehr gebraucht wird. Im Bundesverzeichnis seit 2018: Mehr erfahren
Grasedanz im Harz
Der Grasedanz (oder Heuerntenfest) existiert seit 1887 in Hüttenrode und Neuwerk. Dabei stehen vor allem die Frauen im Mittelpunkt, welche vor mehr als 100 Jahren diesen Festakt initiiert hatten um ihrer Arbeit Wertschätzung auszudrücken. Im Bundesverzeichnis seit 2020: Mehr erfahren
Bad Dürrenberger Brunnenfest
Seit mehr als 250 Jahren wird in Bad Dürrenberg das Brunnenfest gefeiert. Anlass dieser Feierlichkeiten ist die Erschließung der Solequelle im Jahre 1763. Gefeiert wird mit Open-Air-Musik, Feuerwerk und einem Festumzug. Im Bundesverzeichnis seit 2023: Mehr erfahren
Aufnahmeverfahren
Die Eintragung in das Landes- und das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes sind eine öffentliche Anerkennung der kulturellen Ausdrucksform und ihrer Trägergruppen. Daher findet alle zwei Jahre eine Bewerbungsrunde statt, in der weitere Kulturformen geprüft und ausgewählt werden. In Sachsen-Anhalt entscheidet eine Expertenkommission, welche Bewerbungen in das Landesweite Verzeichnis aufgenommen werden und welche das Land Sachsen-Anhalt zudem für das Bundesweite Verzeichnis vorschlägt.
Die Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnisses des Immateriellen Kulturerbes ist mit einem mehrstufigen Verfahren verbunden, an dem die Länder und die Kultusministerkonferenz, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Auswärtige Amt und die Deutsche UNESCO-Kommission beteiligt sind.
Gruppen, Vereine und Einzelpersonen können alle zwei Jahre bei der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur ihre Bewerbungen aus folgenden Bereichen einreichen: mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen (einschließlich der Sprache als Träger des immateriellen Kulturerbes), darstellende Künste wie Musik, Tanz und Theater, gesellschaftliche Bräuche, soziale Praktiken, Rituale und Feste, Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur und dem Universum sowie das Fachwissen über traditionelle Handwerkstechniken.
Fachlicher Ansprechpartner zum Thema Immaterielles Kulturerbe ist der Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V. Dieser berät auch zum Auswahlverfahren. Bewerbern wird ausdrücklich geraten, diese Möglichkeit zu nutzen.